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Ein Buch, das Kindern erklärt, was Krieg bedeutet


Und plötzlich ist alles anders

Seit dem 24. Februar haben wir wohl umdenken müssen. Hätten meine Kinder – damals, als sie klein waren – mich gefragt, ob es bei uns Krieg geben kann, hätte ich guten Gewissens „Nein“ gesagt.

Heute könnte ich das nicht mehr. Heute müsste ich mir überlegen, was ich ihnen antworten soll, ohne sie zu überfordern oder zu verängstigen. Und ohne mir anmerken zu lassen, dass ich selbst verunsichert bin, ohne sie dabei zu belügen. Das ist ein Balance-Akt, vor dessen Herausforderungen Eltern, KindergärtnerInnen und LehrerInnen derzeit stehen – seit es den Krieg in der Ukraine gibt. Direkt vor unserer Haustür sozusagen.

„Erklärungsnot“

Seit Beginn des Krieges, der Fernsehbilder und der Flüchtlinge, die in unser Land kommen, müssen wir uns überlegen, wie wir unseren Kindern erklären können, wie es dazu kommen konnte und was es für uns bedeutet.

Auf diese Aufgabe waren wir nicht vorbereitet. Niemand hat uns gelehrt, wie wir mit Kindern über den Krieg sprechen und ihn erklären können.

Die Hilflosigkeit der Erwachsenen

Ich habe von Lehrern gehört, die den Fragen ihrer GrundschülerInnen ausgewichen sind: „Sprich mit deinen Eltern darüber. Das hat hier im Unterricht nichts zu suchen.“ Ich habe mit Müttern gesprochen, die selbst verängstigt waren und alles auf den bösen Putin geschoben haben. Und ich habe von Eltern gehört, die mit ihren Kindern im Kindergarten- oder Grundschulalter gemeinsam vor dem Fernseher sitzen und sich die blutigen Bilder aus der Ukraine anschauen.

Ich habe von Kindern mit Alpträumen gehört und dass Kinder ihre Ängste vermehrt in Rollenspielen ausdrücken. Deswegen habe ich mir Gedanken gemacht, wie wir Kindern erklären können, was Krieg ist. Und da ich nun mal Kinderbücher schreibe, habe ich mir überlegt, was für eine Art Buch ich schreiben könnte, um nicht nur den Kindern Erklärungen zu liefern, sondern um auch uns Erwachsenen dabei zu helfen, Kindern den „Krieg“ zu erklären.

Der Balanceakt

Geht das überhaupt? Ein Kinderbuch zu schreiben, das Kindern jeden Alters erklärt, was Krieg ist und das gleichzeitig die Erwachsenen dabei unterstützt, die notwendigen Gespräche mit den Kindern zu führen? Das vielleicht sogar ein Ratgeber werden könnte, der allgemein nützlich für Unterhaltungen über traumatisierende Situationen ist? Das war mein Ziel und ich hoffe und glaube, ich habe es erreicht.

Die Kunst, zu verstehen und verständlich zu machen

Ein paar andere Dinge waren mir noch wichtig. Ich wollte auf gar keinen Fall das Klischee von „Gut“ und „Böse“ bedienen und keinerlei Art von Schwarzweißmalerei betreiben. In meinen Augen ist es wichtig, Kindern zu zeigen, dass jeder Mensch „böse“ oder „gut“ handeln kann und dass es das ausschließlich „Böse“ nicht gibt. Das wäre ein beängstigender Gedanke, den ich Kindern nicht einpflanzen möchte. Ich hatte mir auch vorgenommen, den Kindern ihr Vertrauen in die Welt zu erhalten. Das Wissen, dass sie in Sicherheit sind, das sie beschützt und geliebt werden. Den Erwachsenen wollte ich vermitteln, dass sie unsicher sein dürfen und trotzdem der Fels in der Brandung für ihre Kinder sein können.

Die Entwicklungsphasen der Kinder

Eine herausfordernde Aufgabe war es auch, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen. Ihrem Alter entsprechend müssen wir unsere Erklärungen anpassen und ein Gespür dafür entwickeln, wann ein Gespräch notwendig ist und wann es eher schadet. Aus meinem pädagogischen Background heraus weiß ich über die Bedeutung der Entwicklungsphasen bei Kindern genug, um deren Darstellung ein eigenes Kapitel im Buch gewidmet zu haben. Eltern müssen über die unterschiedlichen Entwicklungsstufen informiert sein, um altersgerechte Erklärungen zu finden, ohne ihre Kinder zu überfordern.

Das Konzept, das alle Bedürfnisse erfüllt

Mit diesen Vorstellungen und Anforderungen an mich habe ich das Buch geschrieben und ich habe mit einem Märchen begonnen. Ich fand es immer schon wichtig, Kindern die Welt durch Parabeln und Märchen zu „erklären“. Ein Krieg im Elfenland, wie er in „Mama, Papa…wie passiert Krieg?“ beschrieben wird, ist weit genug weg vom persönlichen Erleben der Kinder und die „Helden“ sind nah genug, weil sie so agieren und reagieren, wie unsere Kinder das aus eigener Erfahrung kennen. Das Märchen im Buch liest ein Opa seinen beiden Enkelkindern – einem Mädchen und einem Jungen - vor. Nach jedem Kapitel unterhalten sich die drei über die Ereignisse; eine Anregung für Eltern und PädagogInnen, ihre eigenen Gespräche über den Krieg mit den ihnen anvertrauten Kindern zu führen.

Im Kindergarten wird vorgelesen

Ich habe dieses Märchen einer Kindergärtnerin zum „Probevorlesen“ gegeben und die war so begeistert und engagiert, dass sie dazu einen Leitfaden für das Märchen entwickelt hat, der im Kindergarten oder der Vorschule zum Vorlesen genutzt werden kann. Kapitel für Kapitel gibt sie in diesem Leitfaden Anregungen zum Fragen stellen und Diskutieren, zum Basteln, Malen und Gefühle ausdrücken. Und auch für Aktionen. Denn Kinder wollen etwas tun, wollen mit einbezogen werden, wollen eine Aufgabe haben. Das wird gerade beim Thema „Flüchtlinge“ wichtig, wenn wir gemeinsam mit den Kindern helfen können.

Das wundersame Märchen

Das Märchen kann ganz für sich allein stehen. Es ist eine spannende, humorvolle Geschichte, die Kinder unterhält und begeistert. Es kann aber auch genutzt werden, um herauszufinden, was die Kinder bereits wissen, was sie beschäftigt, welche Ängste sie vielleicht haben. Wenn wir uns gemeinsam mit den Kindern Lösungen für den Krieg im Elfenland zu finden, dann können Kinder dieses neue Verständnis auch auf den Krieg im „Menschenland“ übertragen und Hoffnung und Zuversicht bekommen.

Der Ratgeber für Erwachsene

Der zweite Teil des Buches ist ein Ratgeber, für den ich mir Experten-Hilfe geholt habe. Ich habe mehrere Interviews mit Frauen geführt, die beruflich mit Kindern – auch in Krisensituationen – zu tun haben und wir waren uns einig über die Art und Weise, wie wir mit Kindern sprechen wollen. Ehrlich, behutsam und als verlässliche Ansprechpersonen. Uns allen war es wichtig, Kinder nicht zu überfordern, ihnen ein beständiges Gefühl von Sicherheit zu geben und sie so zu informieren, wie es notwendig und angemessen für ihren jeweiligen Entwicklungsstand ist.

Kinder brauchen Entspannung

Herausgekommen ist ein Ratgeber, über den ich sehr glücklich bin. Ergänzt habe ich ihn mit einer Traumreise zum Vorlesen und Anhören, die den Kindern genau das vermitteln will, was sie und wir alle so dringend brauchen: Das Gefühl, in Sicherheit zu sein und etwas tun zu können. Nicht hilflos zu sein und nicht ohnmächtig, schutzlos den äußeren Umständen ausgeliefert.

Vorleben statt Erziehen

Genau das können wir unseren Kindern vorleben. Denn Erziehung besteht vor allem daraus: das vorzuleben, was wir von unseren Kindern erwarten und uns für sie wünschen. Ihnen ein Vorbild zu sein, ein Beispiel, ein Fels in der Brandung. Wenn wir das sind, werden wir Kinder in die Welt entlassen, die ein Geschenk für uns alle und eben diese Welt sind.

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